Der Cyber-Experte Thomas-Gabriel Rüdiger sensibilisiert Eltern für Verbrechen durch das Internet. Anlass ist die Eröffnung der Ausstellung von "Innocence in Danger" im Landtagsfoyer. Die Kinderschutzorganisation veranstaltet am 17. April 2024 eine Podiumsdiskussion.
Vergangenes Jahr registrierte die Brandenburger Polizei 434 Fälle von sexuellem Kindes-Missbrauch. Außerdem haben sich deutschlandweit die im Internet entdeckten Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen seit 2018 verzwölffacht und lagen 2022 bei mehr als 48.800 Fällen.
Immer öfter bahnen Täter den Missbrauch im Internet an, weiß Thomas-Gabriel Rüdiger. Der Leiter des Instituts für Cyber-Kriminalität an der Landes-Polizeihochschule in Oranienburg (Oberhavel) sieht vor allem die Eltern in der Pflicht, um dagegenzuwirken: „Wie viele Eltern drücken ihren Kindern schon in der 1. Klasse ein Smartphone in die Hand, ohne dass sie ihre Kinder darauf vorbereitet haben?“
Neue Gefahren erfordern höhere Aufmerksamkeit
Diese rhetorische Frage stellte er zur Eröffnung der aktuellen Ausstellung mit Kinderkunst im Foyer vom Landtag. Denn die gezeigten Werke entstanden während „Kunstwochen für traumatisierte Kinder“. Darin entdecken Betroffene auf Schlössern Brandenburgs ihre Stärken – sie malen, formen und spielen Theater. Gastgeberin war mehrmals Donata von Hardenberg auf Schloss Hoppenrade (Oberhavel). Sie ist Präsidiumsmitglied der Kinderschutzorganisation „Innocence in Danger“, die mit der Ausstellung im Landtag auf ihre 20-jährige andauernde Vereinsarbeit hinweist.
Experte Rüdiger habe bereits getestet, wie schnell bei Onlinespielen oder Chats pädophile Erwachsene Kontakte zu Minderjährigen suchen, indem sie sich für Gleichaltrige ausgeben: „Es dauert nur noch Sekunden.“ Aber auch eine wachsende Anzahl Jugendlicher sei darunter. In diesem Ausmaß sei das bis vor wenigen Jahren unüblich gewesen. Daher mahnt er: „Aber unsere Schutzmaßnahmen ändern sich nicht“, und warnt vor neuen Risiken: „Jetzt kommt die Zeit der künstlichen Intelligenz.“
Auch hält er eine starre Regel, dass ein Kind mit etwa zwölf Jahren ein Smartphone bedenkenlos erhalten könne, für wenig sinnvoll. Sondern Rüdiger appelliert an Eltern, sich darum zu kümmern: „Wenn ich mein Kind begleite und ihm den richtigen Umgang damit beibringen kann, dann kann ich ihm das auch schon früher geben.“ Aufgrund unzureichender staatlicher Schutzmaßnahmen rät er Eltern: „Sie müssen Ihr Kind selbst schützen.“ Dabei sieht er neben den im Netz lauernden Sex-Fallen durchaus auch Gefahren für Kinder, eine Faszination für extremistische Gewalt-Inhalte zu entwickeln.
Landtag erarbeitet neues Gesetz zum Kinderschutz
Landtagsvize-Präsidentin Barbara Richstein (CDU) findet einen rechtlichen Einfluss auf Netzbetreiber für sinnvoll: „Wir plädieren dafür, die Internet-Provider mehr in die Verantwortung zu nehmen.“ Derzeit wird in den parlamentarischen Ausschüssen ein erstes Kinder- und Jugendschutzgesetz erarbeitet, das bis September beschlossen werden soll. Es wird auf Landesebene das reformierte Bundes-Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) umsetzen. Bestandteil ist der gesetzliche Kinder- und Jugendmedienschutz. Das Regelwerk soll auch ermöglichen, auf „extremistische Aussagen, Haltungen und Handlungen angemessen und altersgerecht“ zu reagieren.